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Das Rennen um die «grünen Züge»

Alstom, Siemens und Stadler Rail liefern sich einen Wettbewerb um die Marktführerschaft bei wasserstoff- und batteriebetriebenen Zügen.

Yvonne Debrunner

In der Bahnbranche jagt derzeit ein Weltrekord den nächsten. Stets geht es um «grüne Züge». Das ist kein Zufall. Nachhaltigkeit ist auch in der Bahnbranche zum alles beherrschenden Thema geworden, wie sich an der Innotrans zeigte. Die grösste Bahnmesse der Welt fand diese Woche in Berlin statt.

Am Montag, 19. September, ein Tag vor Beginn der Messe, fährt am Potsdamer Platz in Berlin ein blauer Zug vor. «Weltrekord», heisst es auf den Bildschirmen. Diesen hat der Coradia iLint von Alstom vier Tage zuvor aufgestellt. Der Zug, der mit Wasserstoff angetrieben wird, fuhr mit einer Tankfüllung von Bremervörde in Norddeutschland bis nach München.

Gut für Langstrecken

1175 Kilometer lang war die Strecke. Und der Tank sei in München nicht komplett leer gewesen, sagte Alstoms Produktmanager Stefan Schrank gegenüber FuW. Theoretisch hätte der Zug also noch weiterfahren können. Alstom sieht das als Beweis, dass ihr Wasserstoffzug auch für Langstrecken taugt. Ein halbes Jahr zuvor, im Dezember 2021, hat der Schweizer Konkurrent Stadler Rail ebenfalls einen Weltrekord aufgestellt. Mit ihrem Flirt Akku fuhr er bei Minustemperaturen und Schneefall 224 Kilometer rein ab Batterie von Berlin-Gesundbrunnen bis Warnemünde. Damit sicherte sich das Unternehmen einen Eintrag im «Guinness-Buch der Rekorde».

Im Vergleich zum Strassen- oder Flugverkehr verursacht der Schienenverkehr wenig Emissionen. Das gilt insbesondere für elektrifizierte Strecken, wo die Züge mit Strom ab Oberleitung fahren. In der Schweiz sind sämtliche Bahnstrecken elektrifiziert. Damit bildet das Land ­allerdings eine Ausnahme. In Deutschland verfügen nur 60 % der Bahnstrecken über Oberleitungen, in den USA weniger als 1 %. Auf den nicht elektrifizierten Strecken kommen Diesellokomotiven zum Einsatz, was die Ökobilanz des Schienenverkehrs schmälert. Die neuen «grünen Züge» sollen diese ersetzen, zumindest teilweise. Alle Bahnbauer setzen sowohl auf batteriebetriebene Züge als auch auf Wasserstoffzüge. Während sich die Akkuzüge vor allem für Strecken eignen, die zum Teil elektrifiziert sind, können Wasserstoffzüge auch auf gar nicht elektrifizierten Bahnstrecken eingesetzt werden, da sie die grössere Reichweite haben.

Stadler sieht sich als Marktführer bei den batteriebetriebenen Zügen. Patron Peter Spuhler ist der Meinung, dass sich in Europa dieser Typ durchsetzen wird, «auch wenn die Politik nach Brennstoffzellen schreit», wie er am Kapitalmarkttag Anfang September sagte.

Anders sieht es auf den gar nicht elektrifizierten Strecken der USA aus. Dort kann ein Zug nicht unterwegs, auf Abschnitten mit Oberleitung, die Batterien aufladen. Er müsste im Endbahnhof stundenlang aufgeladen werden. In den USA sind Wasserstoffzüge daher sinnvoller.

Bislang dauerte das Auftanken von Wasserstoffzügen zwar ebenfalls ziemlich lange. Heute gebe es aber Lösungen, dank denen der Tank in 15 Minuten voll sei, sagte Jochen Steinbauer, verantwortlich für die Wasserstoffzüge bei Siemens, kürzlich in einem Podcast des Unternehmens. Zudem seien Wasserstoffzüge leiser und verursachten weniger Wartungskosten. Sein Fazit: «Es gibt heute keinen Grund mehr, Dieselzüge zu kaufen.»

Siemens hat seinen Wasserstoffzug Mireo Plus H zusammen mit der Deutschen Bahn entwickelt und Anfang September vorgestellt. Das Unternehmen präsentierte sich dabei laut der deutschen «WirtschaftsWoche» als «Technologieführer». Die Botschaft: Konkurrent Alstom sei zwar früher dran gewesen, Siemens baue aber die besseren Züge.

Kunden in Kalifornien

An der Innotrans zog Stadler Rail nach und präsentierte ihren Wasserstoffzug Flirt H2, zusammen mit einer neuen Bestellung von vier dieser Züge von einem kalifornischen Verkehrsbetreiber. Entwickelt wurde der Zug ebenfalls für einen kalifornischen Kunden, die San Bernardino County Transit Authority. Bei diesem soll er ab 2024 zum Einsatz kommen. Er werde damit der erste mit Wasserstoff angetriebene Personenzug in den USA sein, teilte Stadler mit. Auch Siemens’ Wasserstoffzug soll ab 2024 zum Einsatz kommen, und zwar in Baden-Württemberg.

Die Wasserstoffzüge von Alstom verkehren derweil seit Ende August in Niedersachsen bereits im normalen Personenverkehr. Wer in dem Wettbewerb um die nachhaltigen Züge technologisch führend ist, lässt sich schwer feststellen. Tatsache ist jedoch, dass Alstom bei der Markteinführung einen Schritt weiter ist als die Konkurrenten.

Erschienen in: Finanz und Wirtschaft, Nr. 76, 24. September 2022

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