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Die Portfoliostruktur auf dem Prüfstand

Die Zinswende stellt die altgediente Vermögensaufteilung zwischen Aktien und Obligationen infrage.

Ivo Ruch

Viele Anleger orientierten sich lange Zeit an der Faustregel: Ein Portfolio sollte zu 60 % aus Aktien und zu 40 % aus Obligationen bestehen. Diese Aufteilung hat für Diversifizierung gesorgt, da sich die beiden Anlageklassen in den letzten Jahren selten genau gleich entwickelt hatten. Vielmehr sorgten die Anleihen in Zeiten schwächerer Aktien für Stabilität.

Da die Korrelation nie wirklich gross war, zeichneten sich klassische 60/40-Portfolios nicht nur durch gute Performance, sondern auch durch geringe Schwankungen aus. Doch diese Gewissheit wird gerade auf die Probe gestellt. Weil die Zinsen und die Kreditrisikoaufschläge jüngst gleichzeitig gestiegen sind, sind Aktien- und Obligationenkurse gefallen – ähnlich wie in der Finanzkrise ab 2008. Die Bilanz vieler Portfolios im laufenden Jahr: tiefrot bei hoher Volatilität.

Zu viel Aktivismus schadet

Was tun? Wird die altgediente Vermögensaufteilung zu Recht infrage ­gestellt? Während die einen Experten zum Einsatz von alternativen Absicherungsstrategien raten, warnen andere vor zu viel Aktivismus. Damian Gliott vom Beratungsunternehmen Vermögenspartner sagt: «Die jüngste Marktentwicklung hat an einer geeigneten Vermögen­sallokation nicht viel geändert.» Diese sei nach wie vor sehr individuell und hänge vom Gesamtvermögen einer Person und ihrer Lebenssituation ab. Folgende Punkte sollten Anleger beachten, wenn sie sich nun mit ihrem Portfolio beschäftigen.

Der britische Vermögensverwalter Abrdn schrieb kürzlich in einem Kommentar, die 60/40-Portfoliostruktur ge­höre überdenkt. «Die Einbeziehung einer alternativen Absicherungsstrategie könnte eine Lösung für die Probleme sein, die die heutigen Anlageportfolios plagen.»

Gemeint sind optionsähnliche Instrumente mit geringer Korrelation zu Aktien, die eine Prämie kosten. Passiert nichts, verliert man die Prämie. Bewegt sich der Markt in die richtige Richtung, sind grosse Gewinne möglich. Caroline Hilb, Leiterin Anlagestrategie und ­Analyse bei der St. Galler Kantonalbank, rät zu Zurückhaltung: «Unsere Portfoliostrategien hängen nicht von der kurzfristigen Marktentwicklung ab und wir passen diese auch nicht in Krisen an.» In solchen Zeiten tendiere man wegen der Unsicherheit eher zu Fehlentscheiden.

Sie ist der Meinung, dass ein Anlegerportfolio unabhängig von der Stimmung an der Börse möglichst krisenfest gemacht werden und sich an den langfristigen und individuellen Anlagezielen orientieren sollte. Dabei setzt sie auf die drei Bausteine Aktien, Obligationen und Cash ergänzt durch Gold. «Aktien sind die Manövriermasse, mit der wir das Risiko steuern», so Hilb.

Wichtig sei auch, dass die Liquidität der Investments stimme. «Sonst kann sich ein Portfolio überraschend verhalten, indem etwa Bewertungsanpassungen zeitverzögert geschehen», sagt Hilb.

Eine weitere Überlegung betreffend neuer Portfoliostruktur geht dahin, dass die gestiegenen Anleihenrenditen die relative Attraktivität von Aktien schmälern (wenn die Kurse von Anleihen sinken, steigen die Renditen). Jahrelang haben Investoren defensive Dividendentitel gekauft, um einen möglichst konstanten Einkommensstrom zu generieren – als Alternative zu den rekordtiefen Renditen auf Unternehmensanleihen.

Nicht Umschichten

Diese Renditedifferenz ist nun deutlich kleiner geworden. Trotzdem drängt sich ein gross angelegtes Umschichten in Obligationen nicht auf. Laut Anlageexpertin Hilb sollten Privatanleger jetzt nicht strategisch die Obligationen höher gewichten, «taktisch aber durchaus». Insgesamt bleibe die Anlageklasse noch zu wenig attraktiv, sind sich auch andere Beobachter einig.

«Einzig Obligationen mit kurzer Laufzeit sind attraktiver geworden, was sie zu einer Alternative zum Geld auf dem Bankkonto macht», sagt Vermögensberater Gliott. Übrigens habe sich in der jüngsten Krise auch gezeigt, dass Kryptowährungen keinen Inflationsschutz bieten würden. Bitcoin etwa hat seit Januar 57 % verloren.

Somit führt auch in Zukunft kein Weg an Aktien als substanziellem Bestandteil eines Portfolios vorbei. Wenn es eine Faustregel sein soll, dann hat folgende wohl immer noch Gültigkeit: Geld, das in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren nicht benötigt wird, legt man in Aktien an.

Erschienen in: Finanz und Wirtschaft, Nr. 75, 21. September 2022

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