(Dziana Hasanbekava / pexels)
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Weine sind keine Aktien

Lange Zeit entwickelten sich die Preise für Spitzenweine nur nach oben. Das machte Wein zu einem Spekulationsobjekt. Doch wer mit den edlen Tropfen Geld verdienen will, muss sich auskennen.

Textbüro Marius Leutenegger

Selbst gewieften Investoren und Investorinnen dürften die Liv-ex-Indizes nicht allzu bekannt sein. In einer bestimmten Szene sind sie aber wichtiger als der Dow Jones: bei jenen, die mit Wein handeln. Seit dem Jahr 2000 bildet Liv-ex die Preisentwicklung von Luxusweinen ab, und das mit unzähligen Bewertungen. «Liv-Ex Fine Wine 100» ist der Hauptindex; er erfasst den Wert von hundert berühmten Weinen, die Mehrheit davon französischer Provenienz.

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Dann gibt es regionale Indizes, zum Beispiel für Champagner. Ausnahmslos allen Charts ist gemeinsam, dass der Verlauf während Jahren ziemlich steil nach oben zeigte, der Trend aber vor einem Jahr drehte. Etwa 8% betrug der Verlust seither. Immerhin: Die Preise liegen gegenwärtig noch immer 20% über jenen von vor fünf Jahren.

Die glasklaren Zahlen und die Charts der Liv-ex-Indizes vermitteln den Eindruck, Weine seien eine Anlageklasse wie Aktien. Doch dieser Eindruck trügt, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Erstens: Weine sind Lebensmittel. Sie können bei unsachgemässer Lagerung verderben, und wenn sie einmal genossen wurden, sind sie weg. Der Zustand eines Weins spielt zudem eine wichtige Rolle. Auf der Website wine-searcher.com, einer Plattform, welche die Angebote rund um den Globus zusammenführt, findet man zum Beispiel einen Romanée-Conti 2015 für Preise zwischen 23 000 und 38 000 Fr. Anders als bei einer Aktie muss man sich jedoch um einen Wein kümmern oder andere beauftragen, das zu tun. Das schmälert einen allfälligen Gewinn. Zudem gibt es bei Spitzenweinen enorm viele Fälschungen, die von Laien kaum zu identifizieren sind.

Letztlich eine Liebhaberei

Zweitens: Weine sind eine Liebhaberei, und wirklich wertvoll ist nur ein winziger Bruchteil der Weltproduktion. Die reinen Herstellungskosten rechtfertigen Preise wie die eben genannten aber auch bei den teuersten Tropfen nicht; selbst wenn die hochwertigsten Fässer verwendet werden, die besten Leute im Weinberg und im Keller stehen, liegt der Aufwand für eine Flasche Spitzenwein je nach Quelle deutlich unter 100 Fr. Da muss man stets genau die Leute finden, die bereit sind, einen viel höheren Preis zu zahlen; ein Wiederverkauf ist nicht gesichert.

Oder wie es der erfahrene Weinhändler Christian Hartmann aus Niederteufen ausdrückt: «Die Liquidität bezieht sich bei Weinen in erster Linie auf den Inhalt.» Was nutzen einem tolle Preisangaben im Internet, wenn sich niemand finden lässt, der so tief in die Tasche greift?

«Bei Spitzenweinen gibt es enorm viele Fälschungen, die von Laien kaum zu identifizieren sind.»

Viel Flüssiges für Weine hatten lang Käuferinnen und Käufer in Asien, vor allem in China. Chinesen werden gern als «Etikett-Trinker» bezeichnet. In Ostasien hat Wein wenig Tradition, Neureiche setzten daher vor allem auf die bekanntesten Namen.

Das mag man belächeln. Christian Hartmann, der mit seiner Frau seit 25 Jahren den Weinhandel Weinankauf.ch im Zweitberuf führt, argumentiert kulturell: «In Asien geht es ja auch oft darum, jemandem Wertschätzung zu zeigen. Und das kann man sehr gut, indem man sagt: Für dich öffne ich eine der teuersten Flaschen, die es gibt.» Das Rumpeln der chinesischen Wirtschaft hat jetzt allerdings die Nachfrage in Asien einbrechen lassen, was der Hauptgrund für den Rückgang der Weinpreise ist.

Doch trotz einer gewissen Normalisierung: Der Markt ist nicht mehr jener, der er vor ein paar Jahren war. «Die Châteaux schöpfen mittlerweile die Marge ab», sagt Christian Hartmann.

Nicht jeder kriegt die begehrten Weine

Die besten Weine der Welt sind heute schon direkt ab Produzent so teuer, dass kaum noch Preisfantasie bleibt. «Und Sie müssen erst einmal an diese Weine herankommen», sagt Christoph Ettisberger. Der Gastronom und Betriebswirtschafter betreibt in Baden seit zweieinhalb Jahren den Weinhandel «Gereifte Weine». «Einen Romanée-Conti bekommt man als Privatperson von den Händlern nur, wenn man bereits ein sehr guter Kunde ist und noch vieles anderes bestellt. Verkauft man einen solchen Wein weiter, riskiert man, nächstes Jahr keine Zuteilung mehr zu erhalten.» Und selbst bei einem solchen absoluten Topwein sei nicht gesagt, dass er in zwanzig Jahren einen hohen Preis erzielt. «Vor 200 Jahren waren die Weine aus der Mosel die teuersten der Welt», sagt Christoph Ettisberger. «So etwas kann kippen.»

Eine Anlageklasse wie Kunst

Auf den nächsten Hype zu setzen, wollen viele, aber das ist schwierig. Christian Hartmann: «Ich habe schon oft gedacht: Dieser Wein ist super, die Besitzer des Weinguts haben Millionen investiert, das hat Potenzial. Aber der Markt hat nicht mit steigenden Preisen reagiert.

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Mit Weinen ist es wie mit der Kunst: Es braucht Sachverstand, um potenzielle Zugpferde zu erkennen, aber auch das richtige Timing und Glück.» Christoph Ettisberger sieht das genau gleich: «Dass man einen Spitzenwein kauft, zwanzig Jahre lang professionell lagert und dann für viel mehr Geld weiterverkaufen kann, ist möglich. Aber nicht garantiert.»

Das heisst: Weine sind keine gute Geldanlage? Christoph Ettisberger scheint die Frage nicht zu mögen. «Weine sind Lebensmittel, damit sollte man nicht spekulieren. Weil sie als Investitionsgut gelten, sind viele Flaschen vom Markt verschwunden und können nicht mehr getrunken werden, das ist ein grosser Verlust.» Er beliefere lieber Leute, die im Wein Genuss statt eine Renditechance sehen. Auch Christian Hartmann äussert sich dezidiert. «Weine als Anlageklasse, das ist ein schwieriges Thema. Es braucht wirklich viel Know-how. Man kann ja mal ein paar gute Kisten kaufen, und wenn sich kein Gewinn einstellt, kann man den Wein immerhin trinken.» Der Fachmann rät daher: «Nur in Wein investieren, den man selber mag.»

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